Angesichts der massiven Kritik an Dämmstoffen auf Mineralölbasis denken immer mehr Wohnungsunternehmen über ökologische Alternativen nach. Geht es um die Dämmung der obersten Geschossdecke, werden sie schnell fündig. Soll die Fassade gedämmt werden, gestaltet sich die Suche schon schwieriger.
Die Auswahl an Dämmstoffen für die Dämmung eines Gebäudes ist riesig. Vorherrschend sind Mineralwolle – auf sie entfällt der Löwenanteil des Dammstoffmarktes – sowie Polystyrol (EPS), Polyurethan und Polystyrol-Extruder-Schaumstoffe (XPS) auf Mineralölbasis. Sonstige Materialien – allen voran Holz und Zellulose – machen nach den schon älteren Zahlen des Gesamtverbands Dämmstoffindustrie (GDI) aus dem Jahr 2011 gerade einmal 4 % des Marktes aus (siehe Grafik).
Doch die Nachfrage wächst. Das berichtete auf der Messe Dach + Holz Thomas Ruhrmann, Obermeister der Zimmerer- und Dachdeckerinnung Köln. „Wenn es den Naturdämmstoffen gelingt, beim Wärmedämmwert mit Polystyrol und Mineralwolle gleichzuziehen, wird sich der Aufwärtstrend verstärken“, ist er sich sicher. Tatsächlich ist der Markt für Holzfaserdämmstoffe und Wärmedämmverbundsysteme auf Holzfaserbasis dem Verband Holzfaser Dämmstoffe zufolge bereits in den Jahren von 2004 bis 2012 jedes Jahr um durchschnittlich 11,9 % gewachsen.
Was die Wärmeleitfähigkeit als wichtiges Auswahlkriterium anbelangt, so haben Holzfaserdämmplatten inzwischen 0,038 W/(m2K) erreicht, Zellulose liegt im Idealfall bei 0,039 W/(m2K). Die Dämmstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe erreichen also durchaus gute Dammwerte, wenn auch nicht sehr gute. Zum Vergleich: Die besten Mineralwollprodukte erzielen 0,032 W/(m2K), Polystyrol kommt auf 0,031 W/(m2K). Den geringeren Wärmedämmwerten stehen neben dem positiven Image natürlicher Dämmstoffe jedoch auch handfeste bauphysikalische Vorteile gegenüber.
Vorteile
So sind Pflanzen ideale Wärmespeicher, sagt Andreas Skrypietz, Projektleiter der Klimaschutz- und Informationskampagne „Haus sanieren – profitieren“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). „Ein Merkmal von Hanf ist, dass es lange dauert, bis die einmal gespeicherte Wärme weitergegeben wird“, erläutert Skrypietz. Auf diese Art schütze der Dämmstoff im Sommer die Innenräume vor Überhitzung. „Hanf und Flachs halten nicht nur die Wärme im Haus, sie sind auch gute Schalldämpfer“, ergänzt Christian Silberhorn, Geschäftsführer des Norddeutschen Zentrums für Nachhaltiges Bauen. Schallschwingungen würden aufgenommen und nicht weitergetragen, sondern in den feinen Fibrillen der Fasern aufgenommen und in Wärme umgewandelt. Auch Holz weist aufgrund seiner hohen Rohdichte gute Schalldämmwerte auf.
Hinzu kommt, dass Naturdämmstoffe aus pflanzlichen Fasern ein gutes Feuchteverhalten haben. Sie können aufgrund ihrer Kapillarstruktur große Mengen an Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft speichern und wieder abgeben, ohne dass sich ihre Dämmeigenschaften verschlechtern. Bei einem Wandaufbau sollte die Diffusionsoffenheit grundsätzlich nach außen hin zunehmen. So kann Feuchtigkeit die Bauteile möglichst schnell auf der Außenseite wieder verlassen. An die Fassadendämmung als letzte Schicht richten sich dementsprechend besonders hohe Anforderungen. Wärmedämmverbundsysteme auf Holzfaserbasis können Feuchtigkeit problemlos wieder abgeben. Zudem neigen sie dank einer hohen Wärmespeicherfähigkeit weniger zur Algenbildung.
Hemmnisse: Preis und Brandschutzbestimmungen
Dennoch finden Wärmedämmverbundsysteme mit Holzfaserdammplatten in der Wohnungswirtschaft in der Regel keine Anwendung. Das hat mehrere Gründe, der offensichtlichste ist der Preis der Systeme. „Sobald die Sprache auf den Preis kommt, spielen die zahlreichen Vorteile unserer Dämmstoffe keine Rolle mehr“, berichtet Norman Unger, Geschäftsfuhrer des auf Holzfaserdämmstoffe spezialisierten Unternehmens Unger Diffutherm.
Weiterer Hemmschuh sind die Brandschutzbestimmungen. Die sind in den einzelnen Bundesländern zwar recht unterschiedlich, aber unter dem Strich gilt überall: Ab einer Traufhohe von 7 m müssen Dammstoffe eingesetzt werden, die als schwer entflammbar eingestuft worden sind. Das ist bei Holzfaserdämmstoffen bislang nicht der Fall. Dennoch können sie auch an höheren Gebäuden zum Einsatz kommen. Norman Unger berichtet etwa von der Giebelseite eines Mehrfamilienhauses, bei dem sein Unternehmen wie auch bei Polystyrol in dieser Gebäudeklasse üblich mit Brandriegeln aus einem nicht brennbaren Dammstoff – in der Regel Mineralwolle – gearbeitet hat. „In dem Fall haben wir eine Genehmigung im Einzelfall eingeholt“, so Unger.
„Die Mühe einer Genehmigung im Einzelfall werden sich nur wenige Wohnungsunternehmen machen“, sagt Gerd Onnen vom Hannoverschen Unternehmen K3 Dämmservice. Er zählt einige Wohnungsunternehmen zu seinen Kunden und weiß, hier wird pragmatisch entschieden. K3 Dämmservice verarbeitet zu 70 % Zellulose. Dieser Dämmstoff stelle vor allem bei der Dämmung der obersten Geschossdecke durchaus eine vernünftige ökologische Alternative beispielsweise zu Mineralwolle dar. Gewonnen wird Zellulose hauptsächlich aus recyceltem Altpapier, das zerkleinert und mit pulverförmigen Borsalzen und/oder anderen Zusatzstoffen vermischt wird. Die Zusatzmittel sorgen für den geforderten Brandschutz und verhindern Schimmel und Schädlingsbefall. Sie sind dem Fachverband Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zufolge als gesundheitlich unbedenklich einzustufen. Als reines Recyclingmaterial habe Zellulose den geringsten Primärenergieeinsatz aller Dämmstoffe, so der FNR weiter. Kritiker führen jedoch an, dass Borsalze als reproduktionstoxisch gelten.
Beispiele aus Hannover
„Unser Dämmstoff hat eine Wärmeleitfähigkeit von 0,040 W/(m2K) und ist damit schlechter als Mineralwolle. Trotzdem ist es der bessere Dämmstoff und auch preislich kann er mithalten“, sagt Verarbeiter Onnen. Weiterer Vorteil neben dem geringen Energieeinsatz ist die hohe Rohdichte und damit hohe Wärmespeicherkapazität, denn dadurch eignet sich Zellulose gut für den sommerlichen Wärmeschutz. „Die Wohnungsbaugenossenschaft Laatzen z. B. hat sich für eine Zwischensparrendämmung mit Zellulose entschieden, um die Bewohner von drei Gebäuden aus den 1960er Jahren vor der Sommerhitze zu schützen“, berichtet Onnen aus der Praxis. Im konkreten Fall erforderte die Zwischensparrendämmung, zunächst einen Hohlraum herzustellen, der dann mit der Zellulose ausgeblasen werden konnte. Weniger aufwändig, und daher für viele Wohnungsbaugesellschaften das Mittel der Wahl, ist es, einfach auf der obersten Geschossdecke eine Zelluloseschicht aufzubringen. Ob sich ein Wohnungsunternehmen vom ökologischen Dammstoff überzeugen lässt, hängt davon ab, wie offen der jeweilige Entscheider für das Thema Ökologie ist, weiß Dämmexperte Onnen aus Erfahrung. Bei der Versorgungseinrichtung der Üstra in Hannover hatte er leichtes Spiel. „Ich setze seit 20 Jahren aus Überzeugung nur ökologische Dämmstoffe ein, seit 10 Jahren bei der Üstra“, sagt Hausverwalter Andreas Geffert. Die Versorgungseinrichtung der Üstra hat rund 500 Wohnungen in ihrem Portfolio, viele davon wurden in den 1950er und 1960er Jahren gebaut.
Auch Geffert schwört bei der Dachdämmung auf Zellulose. An der Fassade setzt die Üstra jedoch auf Mineralschaum, da das Herstellen einer Konstruktion, die mit Zellulose ausgeflockt werden kann, hier zu aufwändig ist. Der Mineralschaum besteht aus gemahlenem Quarzsand, Portlandzement, Kalkhydrat und Wasser. „Früher war dieser Dämmstoff um die 30 % teurer als konventionelle Dämmstoffe. Heute ist der Preisunterschied etwas geringer. Allerdings stellt Mineralschaum hohe Anforderungen an den Verarbeiter“, berichtet Geffert und weist im gleichen Atemzug auf die Vorteile hin: Die Dämmung ist ökologisch, es gibt keine chemischen Zusätze, Spechtlöcher, wie sie sich oft in Polystyrol-WDVS finden, bleiben ebenso aus wie eine erhöhte Schalleintragung.
Unbedenkliche Zusatzstoffe und flammgeschützt?
Dennoch: Gäbe es einen Holzfaserdämmstoff, der baurechtlich für den Einsatz in Gebäuden mit einer Traufhohe über sieben Meter zugelassen ist, wäre der für Geffert durchaus eine bedenkenswerte Alternative. Auf der Messe Dach & Holz hat im Februar der Hersteller Homatherm erstmals eine Holzfaserplatte für Wärmedämmverbundsysteme vorgestellt, die nach der europäischen Norm EN 13501-1 als schwer entflammbar klassifiziert ist. Den Flammschutz erzielt Homatherm durch den Einsatz von flammhemmenden Zusätzen, „natureplus-konformen” Salzen, die gesundheitlich unbedenklich seien.
Die Putzträgerplatte soll den Einsatz von Holzfasern bei Neubau und Sanierung von Fassaden bis zu 13 m Traufhöhe ermöglichen. Dazu muss Homatherm in Deutschland allerdings noch die Hürde der bauaufsichtlichen Zulassung nehmen, denn trotz der europäischen Klassifizierung als schwer entflammbar wird die Platte hierzulande nach der geltenden DIN-Norm als normal entflammbar eingestuft. Der Grund: Sobald sie keinen Flammen mehr ausgesetzt ist, verlischt zwar das offene Feuer, aber die Platte glimmt weiter. „Im Unterschied zu den WDVS aus Polystyrol, die schmelzen und dichten schwarzen Rauch verursachen, zeichnen sich flammgeschützte Holzfaserplatten durch ein langsames, berechenbares Durchbrennen aus”, berichtete Homatherm-Forschungsleiter Michael Müller auf der Dach & Holz. Daraus ergebe sich ein enormer Zeitgewinn. Zudem biete die neue Platte namens EnergiePlus FR einen zusätzlichen Sicherheitsaspekt, da bei Öffnung der Fassade durch die Feuerwehr keine offenen Flammen wie bei normal entflammbaren Dämmplatten zu verzeichnen seien.
Die Klassifizierung gemäß EN 13501-1 als schwer entflammbar in Euroklasse C-S1-d0 sei ein erster Schritt, um künftig Eingang in die länderspezifischen Bauordnungen zu finden. „Hier ist noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten”, so Homatherm-Anwendungstechniker Harald Schüssler.
Nachwachsende Rohstoffe nicht zwingend
Doch nicht jeder, der beim Bauen auf Ökologie achtet, setzt auf Holzfaserdammstoffe. „Um ökologisch zu sein, muss ein Dammstoff nicht zwingend aus nachwachsenden Rohstoffen produziert sein“, sagt etwa Arnold Drewer, Geschäftsfuhrer des IpeG-Instituts und Spezialist für nachträgliche Wärmedämmung im Altbau. Als Beispiel führt er Supafil von Knauf Insulation an – den Dämmstoff am Markt, der aus seiner Sicht derzeit am besten ökologische Anforderungen erfüllt.
„Der Primarenergieeinsatz für diesen Dämmstoff ist zwar geringfügig höher als der von Zellulose, dafür kommt er aber komplett ohne Zusätze aus und weist mit 0,035 W/(m2K) einen sehr guten Dämmwert auf“, so der Experte, der die Baugenossenschaft Bochum bei der Sanierung ihrer Formaldehyd ausgasenden Dächer (siehe DW 1/2014, S. 20) berät. Nach der schlechten Erfahrung mit dem formaldehydbelasteten Dämmschaum wollen die Bochumer Drewer zufolge auf Nummer Sicher gehen und haben sich für Supafil entschieden. Der Dämmstoff wird aus Altglas hergestellt, es gibt ihn in verschiedenen Ausführungen zum Ausblasen von Hohlräumen im Holzbau oder zur nachträglichen Dämmung von zweischaligem Mauerwerk. Wegen seiner mineralischen Beschaffenheit ist er resistent gegen Schimmelbefall und verrottet oder zersetzt sich nicht. Drewer: „Aufgrund des geringen Materialverbrauches ist das Produkt sogar ziemlich preiswert.“ Während die Kosten für Zellulosedämmstoffe ca. 25 €/m2 betragen, sind es bei Supafil nur 28 €/m2.
Autorin: Silke Thole, Die Wohnungswirtschaft 11/2014